Peter Luschny
23.3.2006
Vorbemerkung. Bei der Primfakultät, dem Primorial und Tschebyschews Funktion handelt es sich im Wesentlichen um das gleiche mathematische Objekt, wobei die verschiedenen Bezeichnungen nur den Gebrauch in unterschiedlichen Kontexten widerspiegelt. Die mathematische Bedeutung der Funktion liegt in der Möglichkeit, mit ihrer Hilfe Aussagen über die Verteilung der Primzahlen gewinnen zu können.
Inhaltsverzeichnis |
Die Primfakultät von
ist das Produkt aller Primzahlen kleiner oder gleich
Die Primfakultät ist eine mathematisch natürliche Definition
für das Produkt von Primzahlen. Wir wählen die Notation
als Abkürzung für die Primfakultät von
definieren also eine Abbildung
.
Der Wert
ergibt sich aus der Konvention einem leeren Produkt
den Wert
zu geben.
In der zahlentheoretischen Literatur ist es üblich, bei der Betrachtung der Primfakultät nicht die multiplikative Schreibweise zu verwenden, sondern die additive. Das bedeutet, dass man nicht sondern betrachtet.
Etwas verwirrend ist dabei, dass man dabei auch noch eine andere Bezeichnung
verwendet. Den Logarithmus der Primfakultät nennt man die Tschebyschew
-Funktion
Da
für relles
gilt, erhalten
wir
Diese Identität wird gewöhnlich auch als Definition
verwendet.
Das Primorial ist die Einschränkung der Primfakultät auf die Primzahlen , d.h. eine Abbildung , deren Werte mit denen der Primfakultät übereinstimmen, aber nur für Primzahlen betrachtet wird.
Diese Form der Primfakultät ist im Zusammenhang mit der Frage, ob ein bzw. eine Primzahl ist, weit verbreitet. So stellt etwa Richard K. Guy in Unsolved Problems in Number Theory, 3. Auflage 2004, Seite 10, die Frage:
Gibt es unendlich viele Primzahlen der Form , wobei das Produkt, das Primorial von , aller Primzahlen bis einschließlich p ist?
Und in diesem Sinne listet auch Chris Caldwell auf seiner Seite die `top twenty primorial primes' auf. So ist zum Beispiel die im April 2006 größte bekannte Primzahl dieses Typs zu finden.
Der Name `Primorial' wurde erst 1987 von Harvey Dubner eingeführt. Ob diese künstliche und eigentlich überflüssige Bezeichnung, die sich im Jargon der Primzahl-Hacker eingenistet hat, auch für die Mathematik hilfreich ist, mag man bezweifen.
Zur Beschreibung einfacher Charakterisierungen brauchen wir noch die (multiplikative) zahlentheoretische Funktion , den quadratfreien Kern von .
Der quadratfreie Kern von ist das Produkt der verschiedenen Primfaktoren von .
Damit wird die Primfakultät mit der gewöhnlichen Fakultät und dem kleinsten gemeinsamen Vielfachen der ersten Zahlen in Zusammenhang gebracht: Die Primfakultät ist also der quadratfreie Kern der (gewöhnlichen) Fakultät, und auch der quadratfreie Kern des kleinsten gemeinsamen Vielfachen des Anfangsabschnitts der natürlichen Zahlen.
Eine interessante Aussage ist, dass die Partialsummen der Reziproken der
Primorialen gegen eine Konstante konvergieren, und zwar
gilt
Dies
besagt gerade, dass die Engel-Entwicklung dieser Zahl die Folge der
Primzahlen ist. Man findet weitere Hinweise auf OEIS unter der Folgennummer
A064648.
Die Primfakultät hat ihre Bedeutung in der Mathematik als Werkzeug zur Untersuchung der Verteilung der Primzahlen. In dieser Eigenschaft wurde sie zuerst von Pafnuti Tschebyschew (1850) eingesetzt beim Versuch, den Primzahlsatz zu beweisen. Dabei steht das Verhalten der Primfakultät für immer größer werdende Werte, also ihr asymptotisches Verhalten, im Mittelpunkt des Interesses. Das Verhalten der Primfakultät für kleine Werte ist dabei nicht typisch für das Verhalten für große Werte -- dies ist eine Folgerung aus dem Satz von Littlewood (1914) über die Oszillationen der -Funktion.
Die wichtigste mathematische Aussage über die Primfakultät
beschreibt ihr asymptotisches
Verhalten.
Wenden wir auf beide Seiten den Logarithmus an,
so folgt die zahlentheoretische Schreibweise dieser Identität
Damit erhält man die einprägsamste Form dieser Identität
Dies ist aber nichts anderes als eine zum Primzahlsatz äquivalente
Formulierung. Unter dem Primzahlsatz verstehen wir dabei die
Aussage
Hierbei bezeichnet
die Anzahl der Primzahlen kleiner oder gleich
.
Diese Identität läßt sich auch schreiben
Nun ist aber
''
eine transitive Relation und so folgt
Diese Form spiegelt die Idee von Tschebyschew wider.
Tschebyschew wollte etwas über die
Verteilung der
Primzahlen
, also über den Verlauf der Funktion
herausfinden. Da die Funktion
mathematisch recht unzugänglich ist, betrachtete Tschebyschew an ihrer
Stelle die Primfakultät und versuchte die dabei erzielten Resultate dann
auf die
Funktion zu transferieren.
Ein Beweis des Primzahlsatzes und die Formulierung mittels der
Primfakultät (natürlich in der Tschebyschewschen Schreibweise)
findet sich etwa bei Tom M. Apostol,
Introduction to Analytic
Number Theory
.
Die asymptotische Relation beinhaltet keinerlei Aussage darüber,
wie sich
der
nähert. Folgende, leicht zu erstellende Skizze kann dabei sehr
irreführend sein.
mit vermeintlicher und tatsächlicher oberen Schranke.
Wir sehen, dass sich (die rote Kurve) für kleine Werte von an annähert - mehr aber auch nicht. Die Vermutung, dass sich von unten an annähert ist jedoch falsch, und geht auch in keiner Weise aus der Limesrelation hervor, genauso wie die Relationen oder das entsprechende im allgemeinen falsch sind!
Eine obere scharfe Schranke von gibt es dabei durchaus. Sie wurde von Lowell Schoenfeld angegeben (Sharper Bounds for the Chebyshev Functions and . II. Mathematics of Computation, Vol. 30, 134, 1976, 337-360. ) Schoenfeld präzisiert dabei eine von Helge von Koch schon im Jahr 1901 angegebene Schranke unter der Vorraussetzung der Riemannschen Hypothese (RH) und zeigt Dies läßt sich äquivalent umschreiben in
Eingesetzt in unsere Grafik bedeutet das, dass die oberste (schwarze) Kurve eine obere Schranke für darstellt - RH vorausgesetzt. Setzt man RH nicht voraus, bleiben die Relationen grundsätzlich die gleichen, nur die Schranke wird, eventuell, etwas größer.
Für sehr großes
schließlich schiebt sich
über die Gerade
hinaus und fängt dann an unendlich oft um die
herum zu oszillieren. Eine Beweisskizze folgt.
Ein Beweis dieser Aussage läßt sich angeben mit Hilfe der Ergebnisse in Landaus Vorlesungen über Zahlentheorie, Band 2, Kapitel 11 (welches dem Oszillations-Satz von Littlewood gewidmet ist). Dort beweist Landau, dass zum einem gilt aber auch Hierbei ist die psi-Funktion von Tschebyschew. Insbesondere sehen wir damit unter Verwendung von Tschebyschews grundlegenden Resultaten, dass
Da die Größenordnung von kleiner ist als die von , folgt, dass sowohl als auch gültig bleiben, wenn man durch ersetzt.
Um nun und zu beweisen, betrachtet man zwei Fälle. Falls oder falsch sind, dann ist es nicht allzu schwer zu zeigen (aber nicht offensichtlich!), dass die Riemannsche Hypothese wahr ist. (Landau behandelt dies in einem Abschnitt unter der Überschrift "Trivialitäten.") Um also und zu beweisen, können wir die Riemannsche Hypothese vorraussetzen. Unter dieser Vorraussetzung zeigt nun Landau (Satz 473), dass Hierbei ist eine gewisse oszillierende Summe, in die der Imaginärteil der Nullstellen der Riemannschen Zeta Funktion eingeht. Um den Beweis von und zu Ende zu bringen, müssen wir diese Oszillationen verstehen (hier geht der Großteil der Arbeit ein): wieder unter der Annahme der Riemannschen Hypothese wird gezeigt (Satz 472), dass gilt
Littlewoods Satz über die Oszillation von
wird ähnlich bewiesen. Wie im vorgehenden Fall kann man die Riemannsche
Hypothese voraussetzen. Und unter der Riemannschen Hypothese kann man zeigen
(Satz 458),
dass
Damit folgt nun Littlewoods Satz aus
und
.
PrimeFactorial := proc(n) local i; mul(i, i = select(isprime, ['$'(1.. n)])) end
Primorial := proc(n) local i; if isprime(n) then RETURN(PrimeFactorial(n))
else RETURN('undefined') fi end;
PrimePi := proc(n) nops(select(isprime, ['$'(1.. n)])) end
sfk := proc(n) local i, k; k := ifactors(n)[2]; mul(k[i][1], i = 1.. nops(k)) end
kgv := proc(n) if n = 0 then 1 else ilcm(n, kgv(n - 1)) fi end
theta := proc(n) local i; add(ln(i), i = select(isprime, ['$'(1.. n)])) end
> seq(PrimeFactorial(i),i=0..9): 1, 1, 2, 6, 6, 30, 30, 210, 210, 210
> seq(Primorial(i),i=1..11); *, 2, 6, *, 30, *, 210, *, *, *, 2310
> seq(PrimePi(i),i=0..9): 0, 0, 1, 2, 2, 3, 3, 4, 4, 4
> seq(sfk(i),i=0..9): 1, 1, 2, 3, 2, 5, 6, 7, 2, 3
> seq(sfk(i!),i=0..9): 1, 1, 2, 6, 6, 30, 30, 210, 210, 210
> seq(sfk(kgv(i)),i=0..9): 1, 1, 2, 6, 6, 30, 30, 210, 210, 210
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